Unfreiwilliges Neujahrsgeschenk an Kaczynski

Der Anführer der Massenproteste gegen Polens Regierung demontiert sich mit umstrittenen Zahlungen selbst. Die Rechtsnationalisten reiben sich die Hände.

Paul Flückiger, Danzig
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Der bekannte Aktivist und Regierungskritiker Mateusz Kijowski vom «Komitee zur Verteidigung der Demokratie» (KOD) soll sich Spendengelder angeeignet haben. (Bild: Rafal Guz / Keystone)

Der bekannte Aktivist und Regierungskritiker Mateusz Kijowski vom «Komitee zur Verteidigung der Demokratie» (KOD) soll sich Spendengelder angeeignet haben. (Bild: Rafal Guz / Keystone)

Der bekannte Aktivist und Regierungskritiker Mateusz Kijowski vom «Komitee zur Verteidigung der Demokratie» (KOD) soll sich Spendengelder angeeignet haben. Diese Meldung des regierungskritischen Internetportals onet.pl und der unabhängigen Tageszeitung «Rzeczpospolita» hat in Polen am Donnerstag die innenpolitischen Wogen hochgehen lassen. Er erwarte eine umgehende Distanzierung der parlamentarischen Opposition vom KOD, erklärte Ryszard Terlicki, der Fraktionschef der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS). Bürgerplattform (PO) und Nowoczesna (Die Moderne) rieben sich ungläubig die Augen.

Gemäss den Recherchen der beiden Medien soll Kijowski für das Komitee bestimmte Spendengelder in der Höhe von 23 000 Franken mittels seltsamer Rechnungen an sich selbst überwiesen haben. Laut Kijowski handelt es sich dabei um legale Überweisungen für geleistete Informatikdienste, die er über die Firma seiner Ehefrau abgerechnet habe. Die Zahlungen seien mit der Bewegung mündlich vereinbart gewesen, so rechtfertigte sich Kijowski. Die Mitglieder der Bürgerbewegung rief er dazu auf, nicht ihn, sondern den Kampf um die Demokratie ins Zentrum zu stellen.

Der Männeraktivist Kijowski, der bereits in der Vergangenheit wegen angeblich unbezahlter Alimente für Kontroversen gesorgt hatte, gründete das «Komitee zur Verteidigung der Demokratie» kurz nach der Machtübernahme der PiS auf Facebook. Die zuerst nur online aktive Bewegung zur Wahrung der demokratischen Ordnung in Polen sei zu seinem eigenen Erstaunen innert kurzer Zeit zu einer mächtigen Protestbewegung angewachsen, erzählte er Anfang letzten Jahres im persönlichen Gespräch in der Küche seines Einfamilienhauses. Kijowski wirkte damals von seinem eigenen Erfolg überrascht, zumal sich gar die Parteichefs der beiden liberalen Oppositionsparteien PO und Nowoczesna Grzegorz Schetyna und Ryszard Petru hilfesuchend an ihn wendeten.

Der Skandal um Kijowski droht die bereits arg geschwächte Opposition hart zu treffen. Die linksliberale Partei Nowoczesna, die im Laufe des letzten Jahres immer enger mit dem KOD zusammengearbeitet hatte, forderte von Kijowski eine rasche Aufklärung aller Geldflüsse. «Rechtlich mögen diese Zahlungen legal sein, doch ethisch betrachtet sind sie falsch», kritisierte der Parteichef Petru. «Ich drücke Kijowski die Daumen, damit er dies alles erklären kann», sagte der Liberale Schetyna im Sejm, Polens grosser Kammer, die von seiner Partei nach wie vor besetzt gehalten wird.

Da Kijowskis Komitee die kurz vor Weihnachten begonnene Sejm-Besetzung durch PO und Nowoczesna bisher vor dem Parlamentsgebäude mit Bürgerprotesten unterstützt hat, sind nun beide Parteien zusätzlich unter Druck geraten. Der Protest war über die Festtage bereits fast zum Erliegen gekommen, weil vor dem Sejm nur noch ein paar Dutzend besorgte Bürger gegen die PiS demonstrierten. In der Silvesternacht harrten im grossen Ratssaal nur noch 21 Parlamentarier aus. Sie wollen mit ihrer Protestaktion, die bis zur ersten Sitzung am 11. Januar dauern soll, eine Neuabstimmung über den Staatshaushalt 2017 sowie die volle Bewegungsfreiheit für die Parlamentspresse erzwingen. Nun allerdings drohen ihr im Zuge des KOD-Skandals die Unterstützer vor dem Sejm davonzulaufen.

Die wegen ihres Demokratieabbaus kritisierte Regierung reibt sich derweil die Hände. Seit Monaten hat sie erfolglos versucht, vor allem das «Komitee zur Verteidigung der Demokratie» zu verunglimpfen. Nun könnten ausgerechnet zwei regierungskritische Medienhäuser dem PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski einen grossen Dienst erwiesen haben.