© Regina Relang, Münchner Stadtarchiv

Zum Glück wurde sie nicht Malerin

Von ANDREA DIENER

08.07.2016 · Über vierzig Jahre hinweg fotografierte die deutsche Fotografin Regina Relang für europäische Modehäuser. Dabei hatte sie eigentlich ganz andere Pläne.

Ihr Vater war Kunstprofessor und ihre Mutter alles andere als eine Hausfrau. Also studierte auch Regina Relang, die eigentlich nur Lang hieß, zunächst Kunsterziehung und Malerei, um sich danach in die weite Welt aufzumachen, die sie unbedingt entdecken wollte. Um sich ihre Reisen zu finanzieren, machte sie unterwegs Fotos mit einer kleinen Leica, zuerst 1932 in Korsika, dann in Frankreich, Spanien, in der Türkei und in Jugoslawien.

Die Pariser Bildagentur „Three Lions“, die auch Robert Capa unter Vertrag hatte, nahm die Fotos der Autodidaktin gerne ab und verkaufte sie weiter. So schnell und einfach wurde aus einer Malerin eine Fotografin. Und nachdem ihr Assistent und späterer Mann, der russische Künstler Arkady Kusmin, ihre Gemälde für unbrauchbar hielt, zerstörte sie alle und fasste Pinsel und Farbe nie wieder an. Das ist einerseits schade, andererseits ein Glück für die Fotografie. Denn Regina Relang sollte die europäische Mode ganze vierzig Jahre lang mit ihrer Kamera begleiten. Und so groß ihr Ruhm zu Lebzeiten war, so wenig ist sie derzeit noch präsent: Immerhin widmete ihr das Münchner Stadtmuseum, das den Großteil ihres fotografischen Nachlasses hütet, einen ausführlichen Katalog. Nun zeigt die Ludwiggalerie im Schloss Oberhausen eine große, sehenswerte Retrospektive, die erste außerhalb Bayerns.

Schon auf ihren frühen Fotoreisen interessierte sich Relang für Frauen, ihre Kultur und Kleidung. Sie fotografierte andalusische Tänzerinnen, Arbeiterinnen im Hafen von Porto und die verschleierte Braut einer serbischen Hochzeit.

  • © Regina Relang, Münchner Stadtarchiv Reiterin in Spanien, 1939. Schon früh hatte Relang einen Blick für Frauen und ihre Kleidung.
  • © Regina Relang, Münchner Stadtarchiv Tänzerinnen der La Sevillana im Jahr 1939.

Dafür gab es in dieser Zeit einen Markt: Die „Vogue“ kauft die Bildreportagen ebenso an wie die Zeitschrift „Atlantis“. Die Neugier der Leser auf die Lebensverhältnisse anderer Länder und Kulturen war groß, sie schienen gar nicht genug bekommen zu können von den Festen und Trachten und Fischern und Bauern.

Zugleich bekam Relang erste konkrete Aufträge, Accessoires zu fotografieren - als die Wirtschaft kriselte, besann sich die Mode auf das Beiwerk. Handschuhe ließ sie ein Ballett mit Windmühlen aufführen, Schuhe um einen Baum laufen. Das war zugleich surrealistisch wie ästhetisch. Sie inszenierte Dinge, als seien sie lebendige Menschen.

© Regina Relang, Münchner Stadtarchiv Wenn die Dinge sich selbständig machen, ist der Surrealismus nicht weit: „Schuhe gehen um einen Baum“, 1936.

Im Jahr 1938 emigrierte ihr jüdischer Agent nach New York, und Relang musste sich mit den neuen Machthabern arrangieren. Sie zog von Paris nach Berlin und arbeitete dort unter anderem für die Zeitschrift „Die Dame“, die auch in Kriegszeiten weiterhin ein mondänes, großbürgerliches Frauenbild aufrechterhielt und sich mehr an der internationalen als an der deutschen Mode orientierte. Allerdings schrieb Relang bald ihre Texte nicht mehr selbst, propagandistisch geschultere Journalisten übernahmen das für sie. Und anstatt zu reisen, verlegte sie sich um 1941 auf Modeaufnahmen. Die abgebildete Eleganz hatte allerdings mit dem Alltag in Deutschland wenig zu tun, die neuen Modelle waren allein für den Export bestimmt. „Sie haben keinen anderen Zweck, als den Anschein zu erwecken, als ob es ein ungeschwächtes Modeschaffen in Deutschland gäbe“, formulierte es erstaunlich offen die Leiterin des Frankfurter Modeamtes, Margarethe Klimt, im Jahr 1943. Relang nutzte für die glamourösen Aufnahmen die Pausen zwischen einem Fliegeralarm und dem nächsten.

Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es zwar zunächst kein publizistisches Schaffen, das nicht von den Besatzungsbehörden genehmigt wurde, wohl aber viele personelle Kontinuitäten. Auch Relang war als Fotografin bald wieder gefragt. Bereits 1946 plazierte sie ein Modell mit weißem Kleid in die Trümmer des Münchner Cafés Annast. Um 1949 erschienen erste Modestrecken, unberührt von Krieg und Mangel, im Magazin „Heute“.

  • © Regina Relang, Münchner Stadtarchiv Im Jahr 1951 kringelte sich dieser Hut vor den runden Brückenbögen der Seine.
  • © Regina Relang, Münchner Stadtarchiv Die Rückkehr der Eleganz: Model in Kleid von Jacques Griffe, 1951

Bald folgten die Zeitschriften „Film und Frau“ und „Madame“ mit großzügigem Layout, auf teurem Papier mit handkolorierten Abbildungen. Das Wirtschaftswunderland bemühte sich redlich, die amerikanischen Vorbilder „Harper’s Bazaar“ und „Vogue“ einzuholen, und Relang orientierte sich an der internationalen Bildsprache dieser Publikationen. Diese Ausrichtung sorgte dafür, dass sie bald wieder international gefragt war und in Rom wie Paris für bedeutende Modehäuser und Magazine fotografierte.

  • © Regina Relang, Münchner Stadtarchiv Ein Model im Atelier von Jean Patou im Jahr 1959. Und ein damals sehr junger Karl Lagerfeld.
  • © Regina Relang, Münchner Stadtarchiv Das Model Gisela Ebel mit Schmetterlingsbrille im Jahr 1950.
  • © Regina Relang, Münchner Stadtarchiv Auch in nachkriegsdeutscher Wirtschaftswunderkulisse findet Relang den Glamour: Sylvia Dakis 1959.
  • © Regina Relang, Münchner Stadtarchiv Ein Model in einem Mantel von Simonetta, Italien 1955.

Richard Avedon und Irving Penn sind die fotografischen Helden der Zeit, vor allem Letzterer setzte seine Modelle wie marmorne Statuen in Szene. Wie anders dagegen die Bilder der Relang: Geschult an tanzenden Trachten- und Kohleträgerinnen in Aktion, lässt sie die Mannequins leichtfüßig durchs Bild tanzen, die Stoffe schwingen und flattern. Das Modell Suzy Parker inszeniert sie vor dem Berliner Kaufhaus Peek & Cloppenburg als Filmstar, Sylvia Dakis balanciert durch eine Baustelle zwischen zwei Straßenarbeitern im Unterhemd hindurch. Damit ist sie näher am Stil Richard Avedons, der seine Kostümdamen mit Schirmen über Pfützen springen ließ. Die Welt der Mode floss immer wieder in die Inszenierung mit ein. 1959 setzte sie im Atelier von Jean Patou einen jungen Karl Lagerfeld mit Zeichenbrett neben das Modell. Und Ischia, ihre liebste Ferieninsel, diente als pittoresker Hintergrund für lässige Freizeitkleidung.

Dann, in den Sechzigern, änderte sich alles. Die Modefotografie bewegt sich weg von der Straße, rein ins Studio, die Modelle stehen vor neutralen Hintergründen, ihre Gesten wirken inszeniert und dramatisch. Die in Szene gesetzte Alltäglichkeit verschwindet langsam. Zunächst bestimmen kastige Formen die Mode, in den siebziger Jahren kommt das Bohemehafte, Fließende hinzu - und die Farbe natürlich.

© Regina Relang, Münchner Stadtarchiv Und plötzlich wurde alles bunt: Model in einem Kleid von Bessie Becker auf einer frühen Farbaufnahme um 1961.

Der Weg ins Studio wird einerseits notwendig, weil viele Kleider nur noch nachts zwischen den Schauen zur Verfügung stehen, andererseits auch durch bessere Blitzlichttechnik überhaupt erst ermöglicht. Und Regina Relang tut, was die neue Ästhetik von ihr verlangt, ohne sich und ihren leichtfüßigen Stil aufzugeben.

Und die Fotografin selbst? Sie war zeit ihres Lebens eine sachliche Person, die wenig Aufhebens um sich machte und frei war von jeglichem Verdacht modischen Überschwangs.

© Münchner Stadtarchiv, Foto: Julius Kurt Die strenge Dame ohne Hut: Regina Relang, 1981 im Atelier.

Als sie bei einem Pferderennen auftauchte, steckte ihr die Rennleitung einen Zettel zu: „Hier geht es nur mit Hut!“ Also fügte sie sich widerwillig der Anweisung und bedeckte den Kopf. Sehr unpraktisch sei das allerdings gewesen, sagte sie später, besonders für eine Fotografin. Auch für eine, deren Hutfotos zum Spektakulärsten gehören, was in diesem Genre je gezeigt wurde.

Regina Relang. Inszenierte Eleganz in der Ludwiggalerie, Schloss Oberhausen, dauert bis zum 18. September. Begleitend ist ein Booklet für vier Euro erschienen, auch der große Münchner Katalog „Die elegante Welt der Regina Relang“ ist für 28,90 Euro vor Ort erhältlich.

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